Ältere Arbeitnehmer

Ältere Personen auf dem Arbeitsmarkt

Umdenken gefragt

In der europäischen Beschäftigungspolitik wird der älteren Bevölkerungsgruppe immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Während die Erwerbsbeteiligung der älteren ArbeitnehmerInnen bis Ende der 90er Jahr stetig gesunken war, wird nun wieder versucht, diese Tendenz umzukehren. So wurde im März 2001 als EU-Ziel festgehalten, die Beschäftigungsquote der Personen zwischen 55 und 65 Jahren von damals durchschnittlich 37% bis zum Jahre 2010 auf 50% zu steigern. Während manche Länder dieses Ziel längst erreicht haben, gehört Belgien mit einer Quote von 34% im Jahr 2008 nach wie vor zu den Schlusslichtern der Union. Außerdem wurde eine Anhebung des effektiven durchschnittlichen Rentenalters um 5 Jahre angestrebt. Dieses liegt laut Eurostat in Belgien 2007 bei 61,6 Jahren und damit mittlerweile geringfügig über dem EU-Durchschnitt.

Dieses Umdenken in Bezug auf die "mittelalte" Generation hat mehrere Gründe:

Demographische Entwicklung

  • Aufgrund der verlängerten Lebenserwartung und des Rückgangs der Geburtenzahlen nimmt die Zahl der älteren Personen und ihr Anteil an der Bevölkerung in den meisten westlichen Industrienationen ständig zu. Dadurch nimmt das Verhältnis zwischen aktiver und inaktiver Bevölkerung ab, was wiederum die Finanzierung der Renten und Sozialsicherheit gefährdet. Daher wird die Verlängerung des aktiven Lebens angestrebt.
  • Auch innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung findet ein Alterungsprozess statt, so dass die Betriebe unweigerlich einen immer höheren Anteil an älteren ArbeitnehmerInnen aufweisen und mit einem höheren Durchschnittsalter der Belegschaften konfrontiert sind. Die Arbeitgeber haben also ein starkes Interesse daran, die Beschäftigungsfähigkeit der älteren ArbeitnehmerInnen zu erhalten oder zu verbessern, denn sie werden mehr und mehr auf diese angewiesen sein.
  • Der demographische Wandel führt auch das Risiko eines Arbeitskräftemangels mit sich, denn in den nächsten 10-15 Jahren erwarten uns massive Pensionierungen der Nachkriegsgeneration. Das daraus entstehende „Loch“ kann aufgrund niedriger Geburtenzahlen und des späteren Eintritts der Jugendlichen ins aktive Leben nicht mehr durch die nachrückende Generation gefüllt werden. Selbst wenn alle Arbeitslosen in Belgien wieder in Arbeit integriert werden könnten, würde dies nicht genügen, um die angestrebte Beschäftigungsquote zu erreichen. Diese Entwicklung ist ein Faktor, der - makroökonomisch gesehen - zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums beiträgt.

Wirtschaftliche und Soziale Gründe

  • Durch das vorzeitige Ausscheiden erfahrener ArbeitnehmerInnen geht der Betriebswelt sehr viel Wissen und Know How verloren, insbesondere wenn kein expliziter Transfer dieser oftmals nur schwer fassbaren Kenntnisse auf die jüngere Generation organisiert wird. Aufgrund des demographischen Wandels wird zudem die Wahrscheinlichkeit von qualifikatorischen und regionalen Ungleichgewichten zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage weiter steigen, so dass ausscheidende Fachkräfte immer schwieriger zu ersetzen sein werden.
  • Selbst wenn der freiwillige Rückzug in die Inaktivität soziale Vorteile beinhaltet (z.B. für die Familie), verstärkt eine hohe Beschäftigungsrate den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, in der die Arbeit ein wichtiger sozialer Integrationsfaktor ist. Desto kleiner die arbeitende Bevölkerung ist, desto höher werden die Ansprüche an andere Institutionen, die den sozialen Zusammenhalt fördern sollen.
  • Lange Zeit sind Frühpensionierungen eingesetzt worden, um Restrukturierungen von Unternehmen möglichst sozial verträglich durchzuführen und um in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit jugendliche Arbeitslose zu integrieren. Im veränderten demographischen Kontext und in Zeiten des Fachkräftemangels findet nun ein allmähliches Umdenken statt, wobei es natürlich problematisch ist, dass viele ArbeitnehmerInnen die Frühpension als ein erworbenes Recht ansehen. Jedoch kommt man nicht umhin anzuerkennen, dass Frühpensionierungen kostspielig sind und eine nicht unerhebliche Verteuerung der Kosten der Arbeit verursachen. Auch belegen verschiedene Studien, dass Frühpensionierungen keineswegs zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit beitragen.Und nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass aktive Personen, die frühzeitig aus dem Arbeitsleben verabschiedet werden, sich hinterher auf dem informellen Arbeitsmarkt zurückfinden.
  • Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit (späterer Eintritt ins Arbeitsleben durch längere Ausbildung und früheres Ausscheiden) trägt zu einer höheren Arbeitsintensität und Komprimierung der Arbeitsleistung auf eine kürzere Zeitspanne bei. Die Folge ist mehr Stress, Überstunden und höhere Belastung. Statt einer Verkürzung der Arbeitszeit wird vielerorts eine stärkere Polarisierung zwischen arbeitender und nichtarbeitender Bevölkerung beobachtet. Dies kann man auch als einen nicht nachhaltigen Umgang mit Humanressourcen umschreiben.